Von Sanct Nicolaus
Nicolaus kommt von nicos, das ist Sieg, und laos, das
ist Volk,
und heißt also: ein Überwinder des Volks, nämlich
aller Untugenden,
die gewöhnlich und gemein sind. Oder er heißt Sieg des
Volks, weil er
viele Völker durch Ermahnung und Beispiel gelehrt hat,
wie sie die Untugenden und Sünden sollen überwinden.
Oder Nicolaus kommt von nicos, Sieg, und laus,
Lob: sieghaftes Lob. Oder es kommt von nitor, Glanz,
und laos, Volk: Glanz des Volks;
denn in ihm war das, was rein und glänzend macht.
Denn wie Ambrosius schreibet: Rein macht
göttliche Rede, rein macht wahre Beichte, heilige
Betrachtung,
gutes Tun. Sein Leben haben aufgeschrieben die Meister
von Argos.
Argos aber ist, wie Isidorus schreibt,
eine Stadt in Griechenland, daher man die Griechen
auch Argiver
nennt. Auch findet man, Methodius der Patriarch habe
es griechisch
aufgeschrieben, und der Diacon Johannes es ins
Lateinische übersetzt
und etliches hinzugetan. Nicolaus ist geboren aus der
Stadt
Patera, von frommen und reichen Eltern: sein Vater
hieß Epiphanius,
seine Mutter Johanna. In der Blüte ihrer Jugend
schenkte Gott
den Eltern dieses Kind; darnach lebten sie keusch, in
göttlicher Liebe.
Des ersten Tages, da man Sanct Nicolaus das Kindlein
baden sollte,
da stund es aufrecht in dem Becken, und wollte auch am
Mittwoch und
Freitag nicht mehr denn einmal saugen seiner Mutter
Brust.
Als das Kind zu Jahren kam, schied es sich von den
Freuden der
anderen Jünglinge und suchte die Kirchen mit Andacht;
und was er
da verstand von der heiligen Schrift, das behielt er
mit Ernst in seinem Sinne.
Als sein Vater und seine Mutter tot waren,
begann er zu betrachten, wie er den großen Reichtum
verzehre
in Gottes Lob und nicht zu der Ehre der Menschen.
Da war ein Nachbar, edel von Geburt und arm an Gut,
der
hatte drei Töchter, die wollte er in seiner Not in die
offene Sünde der Welt
stoßen, daß er von dem Preis ihrer Schande leben
möchte. Als das Sanct Nicolaus hörte, entsetzte er
sich über die Sünde;
und ging hin und band einen Klumpen Goldes in ein Tuch
und warf
ihn des Nachts heimlich dem Armen durch ein Fenster in
sein Haus
und ging heimlich wieder fort. Da es Morgen ward, fand
der
Mann das Gold, dankte Gott, und richtete davon der
ältesten
Tochter Hochzeit aus. Nicht lange darnach tat Sanct
Nicolaus
dasselbige zum andern Mal. Als der arme Mann
wiederum das viele Gold fand, lobte er Gott von Herzen
und
setzte sich vor, hinfort zu wachen, daß er den Diener
Gottes fände,
der ihm in seiner Armut so zu Hilfe käme. Darnach
kürzlich warf
Nicolaus Goldes zweimal so viel in das Haus denn
zuvor;
da erwachte der Mann von dem Falle des Goldes und
eilte dem
Heiligen nach und rief
"Steh stille und laß mich dein Antlitz
schauen" und holte ihn ein
und erkannte, daß es Sanct Nicolaus war; und fiel vor
ihm nieder
und wollte ihm seine Füße küssen.
Das wehrte ihm Nicolaus und gebot ihm, daß er diese
Tat nicht sollte
offenbar machen, so lange er lebte.
Nun war zu der Zeit der Bischof von Myra gestorben; da
kamen
viele Bischöfe zusammen,daß sie einen andern an seine
Statt wählten.
Unter ihnen war einer von großer Gewalt und
Ansehen, an des Urteil stund das Auserwählen der
Andern.
Der ermahnte sie allesamt, daß sie in Fasten und Gebet
verharren sollten;
aber des Nachts kam eine Stimme zu ihm die
sprach "Du sollst zur Mettenzeit die Tür der
Kirche behüten,
und der erste Mensch, der zu der Kirche kommt, des
Name auch
Nicolaus ist, den sollst du zum Bischof weihen".
Das tat er den andern kund und hieß sie mit Andacht im
Gebet
verharren, er selbst blieb an der Kirchentür und
wartete.
Nun fügte es Gott, daß zur Mettenzeit Sanct Nicolaus
zuerst zu der Kirche gegangen kam vor allen andern.
Da hielt ihn der Bischof an und sprach
"Wie heißest du?" Nicolaus neigte voll
heiliger Einfalt sein
Haupt und antwortete
"Ich bin genannt Nicolaus, ein Diener eurer
Heiligkeit".
Da führten sie ihn in die Kirche, und setzten ihn, ob
er sich gleich
sträubte, auf den Bischofsstuhl. Doch verharrte
Nicolaus in seiner
Einfalt und Reinigkeit und in nächtlichem Gebet; er
peinigte seinen
Leib und floh die Gemeinschaft der Weiber, er war
demütig und gar gleich
gegen jedermann, beredt in seiner Rede,
fleißig in göttlicher Ermahnung, streng in guter
Strafung.
Man liest auch in einer Chronik,
daß Nicolaus mit auf dem Conzil von Nicaea sei
gewesen.
Es geschah, daß Leute auf dem Meer fuhren, die kamen
in große Not.
Da riefen sie Sanct Nicolaus an und sprachen
"Nicolae,
du Knecht Gottes, wenn das wahr ist,
was wir von dir haben gehört, so laß uns deine Hilfe
erfahren".
Zustund erschien ihnen einer, der ihm gleich sah, und
sprach
"Ihr rufet mir, hier bin ich".
Und fing an und half ihnen an den Segeln und Stricken
und anderem
Schiffsgerät; alsbald war das Meer gestillt. Da sie
nun zu Lande
kamen, gingen sie zu seiner Kirche:
und ob sie ihn gleich nie zuvor gesehen hatten, so
brauchte ihn doch
niemand ihnen zu weisen,und erkannten ihn alsbald.
Sie dankten Gott und ihm für ihre Rettung. Er aber
sprach
"Nicht ich, sondern euer Glaube und Gottes Gnade
haben
euch geholfen". Danach ward ein großer Hunger in
dem Lande,
da Sanct Nicolaus Bischof war,
und war keine Nahrung mehr weit und breit.
Auf dieselbe Zeit ward Sanct Nicolaus gesagt,
daß Schiffe mit Weizen wohl geladen in den Hafen
eingelaufen wären.
Da ging er hin und bat die Schiffleute, daß sie aus
jeglichem Schiff nur
hundert Maß Weizen wollten geben, die Hungernden zu
retten.
Antworteten die Schiffleute "Vater, das trauen
wir uns
nicht zu tun, denn das Korn ist zu Alexandria
gemessen,
und also müssen wir es überantworten in die Scheuern
des
Kaisers". Da sprach Sanct Nicolaus "Tut, was
ich
euch sage, und ich schwöre euch bei der Kraft Gottes,
daß ihr keine Minderung haben
werdet an eurem Korn gegen des Kaisers
Kornmesser".
Die Schiffleute erfüllten sein Gebot; und da sie vor
die Diener des Kaisers
kamen, hatten sie so viel Maß Kornes,
als sie zu Alexandria eingenommen hatten. Da sagten
sie
das Wunder öffentlich und priesen den Herrn in seinem
Knecht.
Unterdes teilte Sanct Nicolaus das Korn unter das Volk
nach eines jeden
Bedürfnis, und von diesem wenigen Korn ward das ganze
Land zwei Jahre gespeiset, und blieb noch genug zur
Aussaat übrig.
In demselben Land hatte man die Abgötter geehrt nach
alter
Gewohnheit, und insonderheit das Bild der Teufelin
Diana,
also daß noch zu Sanct Nicolaus Zeiten
etliche Bauern diesem Glauben dienten und unter einem
Baum,
der in des Abgotts Ehre geweiht war, ihre heidnischen
Opfer hielten.
Diese böse Gewohnheit zerstörte
Sanct Nicolaus und ließ den Baum umhauen.
Das war dem bösen Geiste leid, und er
gedachte, wie er sich an Sanct Nicolaus räche; und
bereitete ein Öl,
das heißt Mydiacon, und ist so kräftig, daß es wider
die
Natur an Steinen und im Wasser brennt; und
nahm eines frommen Weibes Gestalt an, und begegnete
Leuten
auf dem Meere, die zu Sanct Nicolaus Kirche fahren
wollten, in einem
Schifflein und sprach zu ihnen "Ich wäre gern mit
euch zu dem
Heiligen Gottes gefahren, aber ich kann
nicht; so bitte ich euch, daß ihr für mich dieses Öl
zu seiner Kirche
bringt, und zu meinem Gedächtnis die Wände des
Vorhofes
damit bestreichet". Damit war sie verschwunden;
aber zu derselben
Stunde sahen sie ein ander Schifflein
daherkommen mit ehrbaren Leuten; unter denen war
einer, der war Sanct
Nicolaus gar gleich von Gestalt, der sprach
"Saget,
was hat das Weib mit euch gesprochen oder
euch gegeben?" Da sagten sie es ihm alles.
Da sprach derselbe Mann "Wisset,
dieses Weib ist die schändliche Diana gewesen;
und damit ihr sehet, daß es wahr ist, was ich sage, so
schüttet
das Öl ins Meer". Sie gossen das Öl aus: da
brannte das
Wasser wider die Natur, und brannte hoch auf, und
währte das lange Zeit.
Sie fuhren weiter, bis sie zu Sanct Nicolaus Kirche
kamen; da sie ihn sahen,
sprachen sie "Wahrlich, du bist es, der uns auf
dem Meere erschien und uns
von des Teufels Listen erlöset hat".
In den Zeiten war ein Volk wider die römische Herrschaft
aufgestanden.
Da sandte der römische Kaiser drei Fürsten aus, das
Volk zu bezwingen,
die hießen Nepotianus, Ursus und Apilio. Die drei
fuhren auf dem
Meer wider das ungehorsame Volk, aber ein böser Wind
warf sie an das
Gestade nahe bei der Stadt Myra.
Da lud sie Sanct Nicolaus zu Tisch, denn er wollte
hindern,
daß ihr Kriegsvolk auf den Märkten Raub täte, wie es
solches Volkes
Gewohnheit ist. In der Zeit, da Sanct Nicolaus mit
diesen Gästen war,
geschah es, daß der Landpfleger mit Gelde bestochen ward
und drei unschuldige Ritter hinzurichten gebot.
Als der Heilige das vernahm, bat er seine Gäste, daß
sie
eilends mit ihm kämen zu der Stätte, da man die Ritter
sollte enthaupten.
Sie kamen hin und fanden sie schon knieend, ihre Augen
verbunden und das
Schwert in der Hand des Henkers aufgehoben.
Sanct Nicolaus riß zornig dem Henker das Schwert aus
der Hand
und schleuderte es weit hinweg, entledigte dic Ritter
der Bande
und führte sie mit sich. Darnach ging er zum Palast
des Landpflegers
und stieß die verschlossenen Türen mit Gewalt auf.
Der Landpfleger eilte ihm entgegen und grüßte ihn; das
verschmähte der Heilige und sprach "Du Feind
Gottes, du Brecher des
Gesetzes, bist du so schamlos, daß du mein
Antlitz nach solcher Bosheit wagst anzuschauen?
Nachdem er ihn lange also schwerlich gestraft hatte,
baten die Fürsten des
Kaisers für ihn um Gnade;
und der Heilige nahm seine Reue an und vergab ihm.
Danach empfingen die Fürsten Sanct Nicolaus Segen, und
fuhren wider ihre
Feinde und überwanden sie gar bald ohne Blutvergießen;
und da
sie heimkehrten, empfing sie der Kaiser mit großen
Ehren. Das mißgönnten ihnen etliche von des Kaisers
Gesinde,
und bestachen des Kaisers obersten Ratgeber; der
verklagte sie bei
dem Kaiser, wie sie Übels und
Schanden von der kaiserlichen Gewalt hätten
gesprochen.
Als das der Kaiser vernahm, ward er zornig und ließ
sie in einen Kerker
beschließen, und gebot, daß man sie ohne
Verhör in derselben Nacht töten sollte. Als die drei
solches
von dem Wächter des Kerkers vernahmen, zerrissen sie
ihre Kleider und weinten und klagten.
Da gedachte der eine von ihnen, Nepotianus, daran,
wie Sanct Nicolaus die drei unschuldigen Ritter hatte
erlöst,
und ermahnte die anderen, daß sie
des Heiligen Schutz sollten anrufen. In derselbigen
Nacht erschien
Sanct Nicolaus dem Kaiser Constantinus im Traum und
sprach
"Warum hast du die drei Fürsten gefangen und hast
sie ohne
Ursach in den Tod verdammt?
Stehe bald auf und befiehl, daß man sie ledig lasse.
Tust du
das nicht, so wisse, ich werde Gott bitten, daß er
einen Krieg wider
dich aufrege, in welchem du
umkommst und eine Speise wirst den Tieren".
Sprach der Kaiser "Wer bist du, daß du des Nachts
in meinen
Palast bist kommen, und also hohe Worte redest wider
mich?
" Antwortete Sanct Nicolaus und sprach "Ich
bin Nicolaus,
ein Bischof zu Myra in der Stadt".
Desselbigengleichen erschien
Nicolaus auch dem obersten Ratgeber des Kaisers, der
die Fürsten
verraten hatte, und sprach "Du verlorener
Mensch an Sinnen und an Verstand, warum giebst du
deine Gunst,
daß Unschuldige in den Tod werden verdammt?
Geh eilends hin und rate, daß sie ledig werden, oder
dein Leib wird
voll Würmer und dein Haus wird zerstört". Sprach
des Kaisers
Rat "Wer bist du, der mir so gräßlich droht?
" Antwortete Nicolaus "Du sollst wissen, daß
ich bin Nicolaus,
ein Bischof zu Myra in der Stadt". Es geschahe
des
Morgens, daß der Kaiser und sein oberster Rat
zusammenkamen
und sagten einander ihre Träume; da sandten sie
alsbald nach den
Gefangenen, und der Kaiser
sprach zu ihnen "Mit welcher Zauberei habt ihr es
vollbracht,
daß ihr uns also mit Träumen habt betrogen?" Sie
antworteten und
sprachen "Wir sind keine Zauberer und
haben auch nicht den Tod verschuldet". Sprach der
Kaiser "
Kennt ihr einen Menschen,
der Nicolaus ist geheißen?" Da sie den Namen
hörten,
huben sie ihre Hände auf gen Himmel und beteten, daß
Gott um Sanct
Nicolaus Willen sie wolle erlösen von dem
gegenwärtigen Tode. Und sagten dem Kaiser von des
Heiligen
Leben und Wunderwerken. Da sprach der Kaiser
"Gehet hin und lobet Gott, der euch
wunderbar erlöst hat um das Verdienst seines Heiligen.
Und bringt ihm von mir Geschenke und bittet ihn, daß
er mir
hinfort nicht drohe, sondern Gott für mich
und mein Reich bitte". Kürzlich hienach kamen die
Drei zu
Sanct Nicolaus und fielen ihm zu Füßen und sprachen
"Wahrlich, du bist Gottes Knecht und ein
sonderlicher Minner
Jesu Christi" und sagten ihm ihre Geschichte. Da
hub er seine
Hände auf und lobte Gott; und lehrte sie in Tugend
leben und
sandte sie wieder heim in ihr Land.
Als aber unser Herr seinen Heiligen von dieser Welt zu
sich in
die ewige Freude wollte nehmen, da bat ihn Nicolaus,
daß er ihm seine
Engel sende. Und mit gebeugtem Haupt
sah er die Engel Gottes zu sich schweben, und fing an
und betete
den Psalm "In te domine speravi" bis zu den
Worten "in manus tuas",
das spricht "Herr, in deine Hände befehle ich
meinen Geist"
. Damit schied Sanct Nicolaus von dieser Welt im Jahre
des Herrn 343;
und ward ein süßer himmlischer Gesang vernommen.
Er ward begraben in einem Grab von Marmelstein: da
entsprang zu
seinen Häupten ein Brunnen mit Öl und zu seinen Füßen
ein
Wasserquell; und noch heutigen Tages rinnt heiliges Öl
von seinen
Gebeinen, das ist gesund wider alles Siechtum.
Nach Sanct Nicolaus ward ein frommer Mann Bischof in
seiner
Stadt, der ward von Neidern vertrieben: da stund das
Öl und floß
nimmer; als er aber wieder zu der Stadt gerufen ward,
da floß das Öl als
wie zuvor. Darnach über lange Zeit ward Myra von den
Türken
zerstört. Es kamen aber sieben und vierzig Ritter von
der Stadt Bari,
denen zeigten vier Mönche das Grab des Heiligen; und
da sie es auftaten,
sahen sie sein Gebein in Öl schweben.
Sie nahmen es und brachten es in die Stadt Bari mit
großen
Ehren nach Christi Geburt im Jahre 1087.
Ein Christenmann entlehnte von einem Juden eine Summe
Geldes,
und da er keinen anderen Bürgen haben mochte, schwur
er auf
Sanct Nicolaus Altar, er wollte es ihm
wieder geben, alsobald er könnte. Die Schuld stund
lange;
zujüngst forderte der Jude sein Geld. Da sprach der
Christ, er hatte es
ihm gegeben. Der Jude zog es
vor Gericht, und dem Schuldener ward auferlegt
zu schwören.
Der Christ nahm einen hohlen Stab und füllte ihn mit
Geldstücken;
und trug ihn mit sich vor Gericht,
als ob er dieser Stütze bedürfe. Als er nun schwören
sollte,
gab er dem Juden den Stab zu halten, und schwur, er
habe ihm
wiedergegeben mehr denn er ihm schulde.
Und da der Eid geschworen war, forderte er den Stab
vom Juden
wieder; der Jude, der die Schalkheit nicht wußte, gab
ihm den
Stab zurück. Da der Betrüger heimging, überkam ihn
eine Müdigkeit
und er entschlief auf der Straße bei einem Kreuzweg.
Da kam ein Wagen in schneller Fahrt und fuhr ihn tot
und
zerknirschte den Stab, da das Gold inne war; und das
Gold rollte
heraus. Als das der Jude vernahm, kam er eilends dahin
und erkannte
die List. Das Volk riet ihm, er sollte das Gold
nehmen;
er aber sprach "Das tu ich nicht, es sei denn,
daß der Christ von
Sanct Nicolaus Gnaden wieder auferstehe: geschieht
das, so will ich mich
lassen taufen und gläubig werden".
Da stand der Tote auf und lebte; und der Jude ließ
sich taufen und
ward ein Christ. Es war ein Jude, der sah die großen
Wunder,
die der heilige Nicolaus wirkte; darum so ließ er
sich Sanct Nicolaus Bild machen und setzte es in sein
Haus, und befahl
dem Bilde sein Gut, wenn er fernhin fuhr, und sprach
"Sanct Nicolaus,
alles mein Gut befehl ich in eure Hut,
bewahrt ihr mir das nicht auf, ich räch es an euch mit
harten Streichen".
Eines Tages nun fuhr der Jude aus und ließ Sanct
Nicolaus das
Haus hüten; da kamen Diebe, und stahlen
alles, was in dem Hause war, nur das Bild ließen sie
stehen.
Als der Jude wiederkam und sich also beraubt sah,
sprach er zu dem Bild
"Herr Nicolaus, hab ich euch nicht in mein
Haus gesetzt, damit ihr es vor Räubern behütet? Warum
habt ihr das
nicht getan und den Dieben gewehret? Ich sage euch, ihr
sollt Pein
leiden für die Diebe: also will ich meinen
Schaden rächen an euch und will meinen Zorn in
Streichen
an euch erkühlen". Mit dem ergriff der Jude das
Bild und peitschte
und geißelte es hart. Da geschah ein großes Wunder:
als die Diebe das Gut unter sich teilten, erschien
ihnen Sanct Nicolaus
dergestalt, als ob er die Streiche alle von dem Juden
lebendig hätte
empfangen, und sprach zu ihnen "Seht, wie
schwerlich ich um euretwillen
geschlagen und gegeißelt bin, und welche Marter ich
habe gelitten. Seht, wie mein Leib voll Striemen ist
und rot von Blut! Darum gehet schnell hin und gebt
alles wieder,
das ihr genommen habt, oder Gott rächt es an euch,
daß euer Verbrechen offenbar wird, und werdet alle
gehangen".
Sie sprachen "Wer bist du, der zu uns also
redet?" Er antwortete "
Ich bin Nicolaus, der Knecht
Gottes, den jener Jude so grausam geschlagen hat um
seines
Gutes willen". In großem Schrecken gingen die
Diebe zu dem Juden
und erzählten ihm das Wunder;
und gaben ihm sein Gut zurück; da sagte ihnen der
Jude, wie er dem
Bilde hatte getan. Also wurden die Diebe rechtschaffen
und der
Jude ein Christ. Ein Mann feierte jedes Jahr das Fest
des
heiligen Nicolaus gar köstlich seinem Sohne zulieb,
der die Wissenschaften lernte. Einst gab er dem Sohne
ein Mahl
und hatte viel Priester dazu geladen. Es kommt aber
der
Teufel vor die Tür in eines Pilgers Gestalt und bittet
um
ein Almosen. Der Vater heißt den Sohn, es ihm bringen,
der Knabe läuft hin, findet ihn aber vor der Tür nicht
mehr, und eilt
ihm nach bis an einen Kreuzweg: da packte ihn der
Teufel und erwürgte ihn. Als der Vater das vernahm,
war er gar traurig; er nahm den Leichnam und trug ihn
in die
Schlafkammer und schrie vor großer Betrübnis und
sprach
"Lieber Sohn, wie ist dir geschehen? Heiliger
Nicolaus
ist das der Lohn für die große Ehre, die ich dir immer
erwiesen habe?"
Solcher Worte sprach er viel; unter dem tät der
Knabe seine Augen auf, als ob er aus einem Schlaf
erwache,
stund auf und war gesund. Es war ein edler Mann, der
bat
Sanct Nicolaus sehr, daß er ihm einen Sohn bei
Gott erwürbe, den wollte er in seine Kirche führen,
und wollte ihm einen
goldenen Becher opfern. Sanct Nicolaus bescherte ihm
ein Knäblein.
Das Kind wuchs heran: da ließ der Vater den Becher
machen, den er
gelobt hatte. Da er fertig war, gefiel er ihm aber so
wohl, daß er ihn selber
behielt, und ließ ihm einen andern machen, dem ersten
gleich.
Damit fuhr er auf das Meer und wollte sein Kind zu
Sanct
Nicolaus Kirche führen. Als sie so fuhren, gebot der
Vater dem Sohn,
daß er ihm Wasser schöpfe mit dem Becher,
den er zuerst hatte machen lassen. Da fiel das Kind
mit dem
Becher ins Meer und sank bald unter. Der Vater weinte
bitterlich,
doch leistete er sein Gelübde, und opferte den zweiten
Kelch auf dem Altar. Als er ihn aber hingestellt
hatte, fiel er wieder
von dem Altar herab, als sei er herabgestoßen; er hub
ihn auf und
stellte ihn zum andern Male hin: da ward er
wiederum noch weiter hinweggeschleudert. Da noch alles
sich
darob verwundert, siehe, so kommt das totgeglaubte
Kind gesund
und unversehrt und trägt den ersten Becher in
seinen Händen; und erzählt, wie der heilige Nicolaus
gleich bei
ihm gewesen sei, da es ins Wasser sei gefallen, und es
gerettet habe.
Des freuete sich der Vater, und opferte da beide
Becher dem
heiligen Nicolaus. Es war ein reicher Mann, der hatte
einen
Sohn von Gnaden Sanct Nicolauses, den nannte er
Adeodatus.
Er hatte in seinem Haus eine Capelle gebaut Sanct
Nicolaus
zu Ehren und beging sein Fest jedes Jahr gar
feierlich.
Es lag aber das Haus nicht fern von dem Lande der
Agarener.
Also geschah es, daß Adeodatus einst von den Leuten
dieses Landes gefangen ward; die brachten ihn ihrem
Könige zu
einem Diener. In dem Jahre darnach, am Sanct
Nicolaustag,
beging der Vater des Knaben das Fest mit Andacht.
Zu derselben Zeit stund der Jüngling vor dem König und
hub
ihm einen köstlichen Becher vor, und gedachte dabei an
seine Gefangenschaft, an seiner Eltern Betrübnis,
und an die Freuden, die des Tages gewöhnlich waren in
seines Vaters
Hause bei dem Fest. Und er seufzte von Herzen sehr.
Da zwang ihn der König mit Drohen, daß er ihm sagen
mußte,
was ihm wäre. Und sprach darnach "Dein Nicolaus
tue, was er wolle, du bleibst hier bei uns".
Alsbald kam ein
großer Wirbelwind und stieß an den Palast und führte
den Knaben
samt dem Becher mit sich heim vor die Tür der
Capelle, da seine Eltern eben Sanct Nicolaus Fest
begingen.
Man liest auch, daß dieser Jüngling war von der
Normandie;
und da er über Meer fuhr, ward er von dem Soldan
gefangen.
Er ward oft vor ihm geschlagen, und ward auch einst
geschlagen an Sanct Nicolaus Tage, und in den Kerker
geworfen.
Da weinte der Knabe bitterlich, um daß er möchte
erledigt werden,
und weil er der Freude gedachte, die seine Eltern zu
begehen pflegten
auf diesen Tag. Da entschlief er unversehens, und wie
er erwacht,
ist er in seines Vaters Capelle.
Nikolaus von Myra
Nikolaus wurde von seinem Onkel, Bischof Nikolaus von
Myra,
im Alter von 19 Jahren zum Priester geweiht und als
Abt im
Kloster von Sion nahe seiner Heimatstadt eingesetzt.
Als seine
Eltern an der Pest starben, erbte Nikolaus ihr
Vermögen und
verteilte es an Arme: so bewahrte er junge Frauen aus
seiner
Nachbarschaft in Patara vor dem Zwang zur
Prostitution, in dem er
für eine ausreichende Mitgift sorgte ob es drei
Schwestern waren oder
vier, wie eine Fassung der Legende will, ist ungewiss
vielleicht
auch nur zwei, wie eine sehr alte Fassung der Legende
weiss,
die zu dem behauptet, er habe das Geld seinen Eltern
gestohlen,
was an eine spätere Legende von Franziskus erinnert.
Nach dem Tod seines Onkels pilgerte Nikolaus ins
Heilige Land,
nach seiner Rückkehr wählte ihn die Gemeinde zum neuen
Bischof.
Die Legende zeichnet ihn als temperamentvollen
Streiter und
zugleich als Mann der fähig ist, diplomatisch zu
vermitteln und
Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Gelegentlich eines
Aufstandes in Phrygien stationierter germanischer
Söldner begegnete
er in Myra hohen Offizieren aus Konstantinopel, bei
denen er
nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Er zerstörte
Tempel der
Heidengöttin Diana Artemis, die in den Küstenorten
Lykiens
als Patronin der Seefahrer verehrt wurde; ihr Tempel
in Myra war
der größte und prunkvollste Nikolaus' Gedenktag am 6.
Dezember
ist Dianas Geburtstag. Während der bald schon
einsetzenden
Christenverfolgung wurde er um 310 gefangen genommen
und gefoltert.
325 nahm Nikolaus am 1. Konzil von Nicäa teil.
Überleifert ist,
wie er kämpferisch gegen die falsche Lehre des
Arianismus vorgeht;
die Legende erzählt, dass er deren Verfechter Arius
während des
Konzils geohrfeigt habe. Auch mit seinem Freund
Bischof Theognis
von Nicäa, der der Auffassung des Arius zuneigt, führt
Nikolaus
heftige Diskussionen; schlussendlich gehört Theognis
zu den
Unterzeichnern des Bekenntnisses von Nicäa.
"Lassen wir über
unserem Zorn die Sonne nicht untergehen", zitiert
später Andreas
von Kreta den Vermittler Nikolaus.
Verbreitete Legenden über Nikolaus erzählen vom
Geldgeschenk,
das er heimlich durchs Fenster und durch den Kamin in
die darin
aufgehängten Socken warf um zu verhindern, dass der
Vater seine
Töchter zur Prostitution hergeben musste. Drei zu
Unrecht zum Tod
Verurteilte konnte er retten, indem er im Traum dem
Kaiser erschien
und um ihre Befreiung bat; in anderer Version rettete
er sie,
indem er das Schwert des Henkers abwehrend ergriff.
Um ein in Seenot geratenes Schiff zu retten mit drei Pilgern,
die von Ephesus ausfuhren und das für eine christliche
Kapelle
bestimmte heilige Öl in den Diana-Tempel zurückbringen
sollten,
begab er sich an Bord, stillte den Sturm und brachte
das Schiff
sicher in den Hafen. Drei Jungen fielen auf der Suche
nach
Arbeit dem Metzger in die Hände, der sie in ein
Pökelfass steckte
und zu Wurst verarbeiten wollte; sie waren schon
zerteilt, als der
Bischof davon erfuhr und sie wieder zum Leben
erweckte.
Vom 15. Jahrhundert an verbreitete sich die Legende
von den
Getreidehändlern: Nikolaus erbat bei einer Hungersnot
in Myra
von jedem der für den Kaiser in Rom bestimmten Schiffe
nur
100 Scheffel und versicherte, dass durch sein Gebet
nichts bei der
Ablieferung fehlen werde, was sich bewahrheitete;
Nikolaus aber
konnte seine Gemeinde auf Jahre hinaus ernähren und
sogar
Saatgut austeilen.
Der Kult um Nikolaus entwickelte sich etwa 200 Jahre
später,
Kaiser Justinian weihte ihm Mitte des 6. Jahrhunderts
eine Kirche in
Konstantinopel, der Kult verbreitete sich auch in in
Griechenland und
kam dann in die slawischen Länder. Über die
byzantinische Tradition
wurde Nikolaus einer der am meisten verehrten Heiligen
Russlands,
er folgt im Osten in der Verehrung unmittelbar nach
Maria.
Nikolaus wurde einer der beliebtesten Volksheiligen
mit vielen
legendären Erzählungen, die vor allem seine
menschenfreundliche
und hilfsbereite Art bezeugen. Sein zerbrochener,
leerer Sarkophag
wird noch heute in der wiederhergestellten Unterkirche
von Demre von
Wallfahrern der Ostkirche verehrt.
In Rom zog der Kult im 8. Jahrhundert ein, er
verbreitete sich
dann zunehmend auch in Süd- und Mitteleuropa.
Friesen-Missionar
Luidger baute der Überlieferung nach die erste
deutsche
Nikolauskapelle im münsterländischen Billerbeck, um
980
entstand in Deutschland die erste Nikolauskirche in
Brauweiler.
Im April 1087 wurden Nikolaus' Gebeine von Abenteurern
aus
Bari, die auf drei Schiffen anreisten, aus dem
Marmorgrab unter
dem Fußboden der Kirche enwendet und in ihre Heimatstadt
entführt. Dort errichtete man auf den Trümmern des
byzantinischen
Gouverneurspalastes die monumentale Basilika S.
Nicola,
die Papst Urban II. 1098 weihte; als
Translationstag gilt der
8. Mai, der in Bari mit einem großen Unzug begangen
wird.
Zwischen dem 11. bis zum 16. Jahrhundert wurden
diesseits
der Alpen über 2200 Kirchen nach Nikolaus benannt.
Nikolaus' Kult in Deutschland wurde im 10. Jahrhundert
besonders durch Kaiserin Theophanu, die griechische
Ehefrau des
Kaisers Otto II., gefördert. Schon damals entstand der
Brauch,
dass Nikolaus die Kinder beschenkt. Grundlage hierfür
war der
Brauch des "Bischofsspieles" in
Klosterschulen, wo ein Schüler
für einen Tag zuerst am Tag der "Unschuldigen
Kindlein",
dann am Nikolaustag als "Bischof" fungieren
durfte.
Nikolaus gilt als Helfer in fast allen
Schwierigkeiten.
Die Volksfrömmigkeit hat seinen Gedenktag mit reichem
Brauchtum liebevoll bedacht, seit 1555 ist Nikolaus
als
Gabenbringer für Kinder belegt. Ansatzpunkte für das
Brauchtum und seine zahlreichen Patronate finden sich
in den
Legenden. Am Vorabend des Nikolaustages beschenkt er
oft zusammen mit seinem Helfer, Knecht Ruprecht, die
Kinder.
Am Nikolausabend stellen Kinder ihre Stiefel oder
Strümpfe
vor die Tür, diese werden über Nacht von Nikolaus mit
Süßigkeiten gefüllt. Der Weihnachtsmann mit weißem
Bart
und rotem Gewand, der den Kindern am Heiligen Abend
die
Geschenke überreicht, geht auf den niederländischen
"Sinterklaas"
zurück; für die weltweite Verbreitung dieses Bildes
von
Nikolaus sorgte um die Jahrhundertwende die Firma
"Coca Cola",
die ihn für Werbung in ihren Firmenfarben benützte.
In Bari wurde neben Kirchen und einem Platz auch das
moderne
Fußballstadion nach ihm benannt. Auch in liberalen
islamischen
Familien beschenkt "Noel Baba" die Kleinen.
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